07.04.2008

Nochmals Waldorfkindergärten. Wie geht es weiter?

In der öffentlichen Gesellschaft lebt der dringende Wunsch, die institutionalisierte Erziehung des Kindes in der Zeit nach vorne zu schieben, so, wie das in den neuen Bundesländern schon lange der Fall ist. Kinder müssen möglichst schnell, eben schon mit vier Monaten, in eine professionelle Einrichtung (Kindertagesstätte) aufgenommen & begleitet & „erzogen“ werden. Klar ist, dass die Gemeinschaft der Waldorfkindergärten sich mit dieser Entwicklung schwer tut. Die Gemeinschaft ist an dieser Stelle gelähmt.

Der Grund der allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklung liegt meines Erachtens nicht darin, dass Mütter unbedingt arbeiten wollen - oder müssen. Ich glaube, der wirkliche Grund liegt darin, dass viele Menschen heute eine Sehnsucht nach anderen Lebensverhältnissen – und damit andere Beziehungen – haben. Sie ahnen, dass gerade auf der sozialen Ebene die Verhältnisse festgefahren sind. Das klassische Bild einer „geschlossenen“ Familie mit einer Mutter, einem Vater und zwei Kindern funktioniert nicht mehr, weil es generell gesprochen nicht mehr gewollt wird. (Gleichzeitig ist man sich darüber nicht im Klaren – das ist aber ein anderes Thema. Das Wollen geht dem Verstehen immer voraus.)

Der Wunsch, die institutionalisierte Erziehung in der Zeit nach vorne zu schieben, hängt also mit grundlegenden Änderungen in Bezug auf die Frage, wie die Menschen heute das Leben „ahnen“, oder anders gesagt, was sie halbbewusst träumen zusammen. Dass an dieser Stelle vom Staat etwas verlangt wird – so verstehen zumindest viele Politiker die Lage – scheint mir ein tragischer Fehler zu sein, der sichtbar macht, dass das sozialistische Denken in Deutschland alles andere als überwunden ist. Wir brauchen uns aber nicht vom Staat verführen zu lassen. Wir können tun, was wir tun WOLLEN.

Wenn wir diesbezüglich nicht tun was wir wollen, kriegen wir in der Zukunft richtig ein Problem. Rein praktisch sieht das Problem so aus, dass die Eltern den Weg zu den Waldorfkindergärten einfach nicht mehr finden werden, weil die Entscheidung für die „Richtung“ schon vorher gefallen ist. Wenn es nicht genügend schöne & interessante & waldorfeigene Angebote für sehr kleine Kinder gibt, werden die Waldorfkindergärten und die Waldorfschulen leer bleiben.

Das ist die praktische Seite. Es gibt aber auch eine moralische Seite. Und die liegt aus meiner Sicht gerade nicht in der Frage, ob es „gut“ für die ganz kleinen Kinder ist, sie in eine professionelle Einrichtung zu schicken. Natürlich soll diese Frage gestellt werden – letztendlich werden aber nur die Eltern diesbezüglich eine Entscheidung treffen. Für die Menschen, die sich mit dem anthroposophische Erziehungsimpuls verbunden wissen, steht aber eine andere Frage an, nämlich: sind wir freudig bereit in das Schicksal der Kinder einzusteigen? Oder vielleicht besser: wollen wir unsere Handlungen durch die oben erwähnten Ahnungen inspirieren lassen? Und dazu kommt dann direkt die Frage: sind wir bereit uns auf ein Abenteuer einzulassen?

Wie sieht eine anthroposophisch-inspirierte Einrichtung für das Kleinkind aus? Über diese Frage werde ich das nächste Mal etwas schreiben. Für heute noch dies: Mir scheint es ein Fehler zu sein, diese Frage aus der Perspektive eines Kindergartens anzugehen. Das würde heißen, dass wir versuchen, von der Vergangenheit in die Zukunft hinein zu denken. Die Fortsetzung-nach-vorne ist keine Fortsetzung der Waldorferziehung nach vorne. Die Frage des Kleinkindes ist eine Frage des Kleinkindes-für-sich, eine Frage also, die aus dem Nichts beantwortet werden muss.


Mit Dank an Sophie Pannitschka

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