30.11.2008

Christine Ballivet ist gestorben. Was mich jetzt bewegt...

Letzten Donnerstag kam die Nachricht, dass Christine Ballivet gestorben ist. Sie war in einer Sitzung in Lyon, verlor ihr Bewusstsein und konnte nicht mehr zurückgeholt werden. Und so war es mit Christine: sie war nur präsent, wenn sie es wollte.

Christine gehört zu den Menschen in meinem Leben, die mich am tiefsten beeindruckt haben. Wenn ich an Gespräche-als-Ereignisse denke, denke ich an Christine. Ob in der Kneipe in Amsterdam, in den Seminaren im „blauen Haus“ in Kirchen oder auf der Terrasse in der Drȏme, ihre Worte waren immer & immer & immer wie Lebewesen. Was sie sagte, fühlte sich an wie Tiger & Elefanten & Kolibris. Sie sagte nichts ohne Blut und Leidenschaft.

Christine war schon eine Ewigkeit krank. Aus irgendeinem Grund konnte sie nicht essen. In Amsterdam haben wir gemeinsam Tage & Tage verbracht, an denen sie nur Kaffee trinken, Zigaretten rauchen, Eis essen und dazu mit Mühe ein Keks zu sich nehmen konnte. Mehr nicht. Alles andere war zu viel, zu fett, zu beliebig, zu uneigentlich. Sie sagte: „Die Luft in der Stadt wo Rembrandt lebte, reicht mir“.

Mit Christine bin ich immer & immer in die Landschaft der Sprache eingetaucht. Sie war Französin, ich bin Holländer. Unsere gemeinsame Sprache war aber immer Deutsch. Sie konnte deutsch reden, wie eine Pianistin Gitarre spielt: nachdenklich, langsam und genau. Sie war wie Foucault, als er über Heidegger sprach: tiefsinnig verzweifelt, tastend.

Christine konnte denken. Und sie verstand, wie unmöglich schön & schön unmöglich die Menschen sind. Und sie war Anthroposophin. Ich glaube, sie war die erste postmoderne Anthroposophin, die ich kennen lernte. Ihr Denken war nicht nur von Steiner, sondern auch von Deleuze geprägt. Und weil sie postmodern war, hatte sie den Mut zum Denken. Nicht was angeblich stimmte, hat Christine überzeugt – nur was sie zusammen mit anderen denken konnte, war für sie wahr.

Dieses zusammen mit anderen denken war ihre Leidenschaft. Dieses Bewegen der Gedanken, so dass man das Gefühl hatte: der Tisch der die Aschenbecher trägt, bewegt sich mit, steigt zum Himmel oder stürzt in den Abgrund, war ihre Kraft. Oder noch anders gesagt: ihr Denken war einverleibt. Oder noch anders: sie hat gedacht, so wie die meisten Menschen essen.

Jetzt ist Christine tot. Natürlich: sie wird auf einer anderen Ebene weiter existieren. Dieser denkende & bewegende & schauende & rauchende & leidenschaftliche Mensch ist aber gegangen. Für immer. Ich werde Christine vermissen.

Voor de mensen uit Nederland: zie ook http://antroposofieindepers.blogspot.com

9 Kommentare:

Babs hat gesagt…

Lieber Jelle!

Weisst du, meinen zukunftigen Tod beruhigt mich, weil ich wissen kann, das du mich beschreiben wirst wie ich bin! So hast du es auch jetzt bei Christine getan!

Was du nich beschreibst (weil es dich nicht interessiert) ist wie Christine ihren duerren Leib kleidete: zufaellig, anspruchslos. Sie kontte einen Clochard sein, aber die dunkelbraunen schauenden Augen verrieten dann doch soviel 'Elite'.

Manche werden Christine als eine 'intellektuelle Tante' erfahren haben, aber ich nicht. Als sie sprach war ich sofort eingetacht in einen Bilderwelt, wie in einem wunderbaren Maerchen, und wie Komplex es sich auch bildete, ich konnte alles sehen, und verstehen. Dabei bin ich nicht mal philosophisch geschult, so wie sie es war.

Du beschreibst ihre Worte als tiefsinnig verzweifelt, tastend, aber als Christine und ich mit einander telefonierte, da tanzten wir. Ich lebte noch in Deutschland, und die Sprache ist fuer Auslaender oft so einzwingend, aber Christine konnte diesen Fesseln sprengen: wir tanzten! Und lachten!

Babs

Jelle van der Meulen hat gesagt…

Aus Frankreich kam heute die Nachricht: "Christine erlitt einen Herzinfarkt unmittelbar nachdem sie einen wunderbaren philosophischen Vortragüber Postmodernismus und Anthroposophie gehalten hatte. Sie starb am 26. 11. gegen 21.30 im Kepler Institut in mitten ihrer Freunde.

Anonym hat gesagt…

Wenn ich an Christine denke, fallen mir natürlich auch zuerst die Zigaretten und der Espresso ein, und die Autofahrten mit ihr. Wir trafen uns in Freiburg bei meinen Schwiegereltern gegenüber von FC-Stadion: Sophie, Sigrid und Wolfgang kamen über den Schwarzwald durch das Höllental, ich von Süden und Christine aus Lyon. Dann fuhren wir zusammen in dem grössten Auto weiter, meistens in das Blaue Haus nach Kirchen. Und auch wieder zurück. Christine fuhr weiter nach Lyon, sie brauchte noch vier Stunden, ein Steiner-Buch auf den Knien und lesend.
Christine half mir einmal. Ich erzählte ihr über Alarich, meinem Schatten und von den Montagne d'Alaric in Südfrankreich. Sie setzte alle Hebel in Bewegung und erfuhr bei Freunden des Toulouser Zweiges, dass Alarich dort noch immer im Volk lebt, er einen Hut trägt bis weit über die Augen und sich oft versteckt.
Danke, Christine.
Kike.

Anonym hat gesagt…

Seit ich von Christines Tod erfahren habe spricht sie in mir. Laut, deutlich, tastend, fragend, ich höre ihre Stimme, erinnere mich an Sätze die sie ausgesprochen hat, sehe sie vor mir und spüre ihre Aura. Christine ist tot - und in mir ist sie lebendig. Fast lebendiger, als in den vergangenen Monaten, in denen wir uns nicht mehr gesehen haben.
Als wir uns das letzte Mal trafen, im Sommer 2007 in Dornach, hatten wir ein intensives Gespräch. So intensiv und gegenwärtig, wie eigentlich jedes Gespräch mit Christine war. Wir saßen auf der Terrasse des Speisehauses - damit Christine rauchen konnte. Es war kühl. Eigentlich wurde draußen nicht bedient - aber wir bekamen einen Espresso und Christine ihr Eis. Neben uns saß Bodo von Plato - das weiß ich noch - er unterhielt sich mit irgendjemandem. Ich erzählte Christine von meinem Studium, von meinen Erlebnissen in der akademischen Welt. Und Christine kramte in ihrem Leben. Sie holte die Erinnerungen hoch und sprach davon, warum sie ihr Philosophie-Studium abgebrochen habe und in die Fabrik gegangen sei, um ganz an der Basis zu arbeiten. Das war, glaube ich, bevor sie die Anthroposophie kennen gelernt hat. Wir waren in vielen Bereichen des Lebens sehr verschieden, sind fast konträre Wege gegangen. Das Gemeinsame ist uns die Anthroposophie. Die Begeisterung für die Realität der Geistigen Welt - und damit ihrer Möglichkeiten hier auf der Erde.
Gerade die Verschiedenheit zwischen Christine und mir hat uns ein großes Geschenk gemacht. Das Geschenk der uneigennützigen Anteilnahme.
Christine spricht weiter in mir und das macht mich traurig und glücklich zugleich.
Sophie

Jelle van der Meulen hat gesagt…

INTERVIEW CHRISTINE

Voor de mensen uit Nederland: Michel Gastkemper heeft op zijn website een interview met Christine Ballivet van Bas Pedroli en Willemijn Otte in Motief uit 1999 geplaatst. Het electronische adres van Michel Gastkemper:

http://antroposofieindepers.blogspot.com

Anonym hat gesagt…

Jelle, dank voor je mooie stukje over Christine.

Een paar gedachten van mij over haar...

Afgelopen donderdag - het was tegen de avond - moest ik aan Christine denken. Ik had haar al een hele tijd niet in gedachten gehad. Ik dacht: ik heb het gevoel dat zij er niet meer is. En ik moest toen ook aan de prachtige sjaal denken die zij mij op mijn verjaardag (12 december 1998)omhing in Kirchen, toen we een terugblik hadden op een conferentie.

Die sjaal draag ik nog steeds als het koud wordt. Pas afgelopen week, een paar dagen voor haar dood dus, ben ik hem dit jaar weer gaan dragen. Ook toen dacht ik weer aan Christine.

Maar dus ook die donderdag, tegen de avond. Zo'n ervaring, dat ik 'zonder aanleiding' aan iemand moet denken en dan het gevoel heb dat die persoon overleden is, dat heb ik vaker. Het doet zich bij mensen voor die ik persoonlijk gekend heb, maar ook bij mensen die ik niet persoonlijk kende,
maar met wie ik wel een band heb, zoals bij schrijvers die ik via hun werk ken.

Ook van Christine wist ik dus donderdag al wat er gebeurde. Omdat ik met Tineke vrijdag naar Amsterdam moest voor een boekpresentatie van een
prachtig boekje dat Tineke vertaalde, waren we die dag met iets heel anders bezig en verdween Christine uit mijn bewustzijn.

Vanochtend las ik de onderwerpregel in je mail en wist ik het weer: Christine, het kan niet anders dan dat Jelle gaat schrijven dat ze gestorven is en wie over wie zij was.

En zo was het.

Ik herinner me Christine als iemand die als geen ander kon laten zien wat mens-zijn betekent, zonder welk uiterlijk vertoon dan ook. Christine's verschijning was er een zonder opsmuk. Ze was geen mooie vrouw, ze was niet mooi gekleed, ze besteedde aan dit uiterlijk geen aandacht. Ze deed dit zo goed, dat de oordelen in mijn vorige zin met betrekking tot haar als iets volkomen misplaatst voelen. Zelfs, zo zei Tineke net, lijkt het wel of het er niet eens toe deed of zij een vrouw was of een man. En ik snap wat ze
ermee bedoelt. Christine was iemand bij wie de kern van het mens-zijn altijd de doorslaggevende factor was in haar handelen. Alles wat buiten die kern viel, vrouw zijn, man zijn, mooi zijn, lelijk zijn, je lichaam als (onwaar)toonbeeld van je ziel, daar deed ze niet aan mee.

Ik geloof dat ik dit aspect het meest aan haar bewonder. En het feit dat ze mij toestond dat diepmenselijke aan haar te beleven.

Nard Besseling

Anonym hat gesagt…

An Christine

Wir waren eine Zeit lang eng verbunden.
Danke für den Reichtum, den du mr geschenkt hast. Die Wärme Deiner Stimme, als die Sprache stockte, wenn Du in die Tiefen der Erde gestiegen bist - diese Wunder bleibt.
Leb' wohl Empedokles!

Deine Hanne

Anonym hat gesagt…

Christine Ballivet,

du bist nun in der anderen Wirklichkeit und wirkst weiter in mir und in meinem Herzen.
Die letzte Begegnung ist schon zwei Jahre her und doch denke ich an dich und sehe dich vor mir in deiner reduzierten Erscheinung hier in der physischen Welt, reduziert, d.h. das Wesentliche und nur das Wesentliche von dir ist für mich sichtbar, fühlbar hautnah und herzensnah erschienen.
Dafür, dass wir uns begegnet sind und noch werden, dafür danke ich dir.
Christine möge deine Reise weiter für dich fruchtbar sein, die du jetzt Früchte aus diesem Leben sammelst.

Brigitte

Anonym hat gesagt…

ehh. thanks for text.