30.01.2009

Das Eigenleben der Sprache. Über Wörter als Okulare

„Die Sprache hat, behaupte ich, ein Eigenleben. Sie macht etwas mit meinem Denken. Sie ist wie eine, die sich nicht festlegen lassen will, und die zugleich Genauigkeit, größtmögliche, einfordert.“ Diese Sätze schreibt Nicole in ihrem Kommentar zu meinem Text mit dem Titel „Intuitive Aufgeschlossenheit. Über Nähe und Sprache“ vom 9.1.2009. In diesem Text hatte ich Owen Barfield zitiert: “[…] words are not bottles […]“ - also, Wörter sind keine Flaschen.

Flaschen sind Behälter. Von einem Behälter erwarten wir, dass er seinen Inhalt gerade unverändert „be-hält“. Flaschen sind geeignet Wasser & Milch & Wein in ihren reinen Form aufzubewahren, weil das Glas neutral ist. Glas mischt sich sozusagen nicht in den Zustand des Wassers ein. Auf Wörter übertragen heißt das: wenn ich heute das Wort „Auto“ verwende, müsste es genau die gleiche Bedeutung haben wie gestern oder vor zehn Jahren. Dies ist aber eindeutig nicht der Fall.

Wörter werden aber oft wie Flaschen behandelt. Wenn in einem Gespräch zum Beispiel um „Begriffserklärung“ gebeten wird, heißt das meistens, dass auf der Ebene der Sprache so etwas Kurioses wie Eindeutigkeit verlangt wird. Begriffe müssen festgelegt werden, was praktisch heißt, dass die entsprechenden Wörter fixiert werden. In der kommunikativen Praxis führt semantische Fixierung aber immer dazu, dass die Beziehung zu den Begriffen unbeweglich wird.

Was sind Wörter? Wie vermitteln Wörter Bedeutungen? Und was kann damit gemeint sein, dass die Sprache ein Eigenleben hat? Eine einfache Tatsache macht deutlich, dass die Wörter nicht wie eindeutige Findlinge in der Landschaft der Bedeutungen liegen, sondern ständig ihren Ort wechseln. Um ein „holländisches“ Bild zu benutzen: Wörter sind eher wie Lichtflächen auf einem Binnensee.

Wenn ich ein Wort aufschreibe, zum Beispiel „Auto“, ruft das in den Lesern allerhand Vorstellungen hervor. Der stolze Inhaber eines Porsches stellt sich bei dem Wort etwas anderes vor, als ein Volkswagendealer in Köln-Porz oder ein Politiker der Grünen in Wiesbaden. Das Wort erzeugt in jedem von uns spontan eine komplexe Vorstellung, die mit unserer spezifischen Perspektive zusammenhängt.

Wenn ich ein zweites Wort dazu schreibe, zum Beispiel „Zug“, (also: ein weißes Blatt Papier mit nur diesen beiden Wörtern darauf geschrieben: Auto & Zug) ändert das neu dazu gekommene Wort sofort die Bedeutung des ersten Wortes. Das Wort „Zug“ wirft ein Licht auf das Wort „Auto“ und hebt neue Bedeutungen hervor, zum Beispiel diese: in einem Auto können nicht mehr als fünf Leute reisen (in einem Zug können das ja locker zweihundert sein).

Ein drittes Wort verändert wieder das Gefüge. Schreibe ich zum Beispiel das Wort „Freiheit“ dazu, werden unsere spontanen Vorstellungen sofort in eine neue Richtung gelenkt, und wir denken: mit dem Auto hat man die Freiheit wann man will zu reisen, mit dem Zug ist man an den Fahrplan der Deutschen Bahn gebunden. Oder: im Zug hat man die Hände frei und kann eine Zeitung lesen.

Wörter werfen ständig ein Licht auf andere Wörter. Sätze sind in diesem Sinne komplexe grammatikalische Strukturen, die wie ein delikates Gewebe ganz bestimmte Bedeutungen „suggerieren“ (Barfield). Erst in konkreten Sätzen kriegen Wörter konkrete Bedeutungen. Nicht alle Ansammlungen von Wörtern bilden aber einen Satz – wenn ich schreibe: „Auto Zug Freiheit“ ist damit noch kein Satz entstanden.

Das Eigenleben der Sprache liegt (auch) in ihrer grammatikalischen Struktur. Die Sprache hat eine Art Körperlichkeit, die sie durch uns als Sprecher & Zuhörer & Schreiber & Leser gehandhabt haben will. Wenn wir die Körperlichkeit der Sprache nicht ernst nehmen, macht sie einfach nicht mit; oder anders gesagt: um eine passende Aussage in Raum & Zeit zu realisieren, dass heißt eine konkrete Bedeutung hier und jetzt zu suggerieren, müssen wir den grammatikalischen Gesetzen der Sprache folgen.

Eigenartig ist dabei, dass gerade dieser Tanz mit der Sprache immer wieder neue Bedeutungen hervorruft. Sehr oft habe ich die Erfahrung gemacht, dass ich als Schreiber auf der Suche war – irgendwie schwebte mir vage & traumhaft & inspirativ eine „Bedeutung“ vor Augen, die aber ganz & gar nicht konkret, sondern eher wie eine schwammige Ahnung in mir vorhanden war. Erst dadurch, dass ich auf die Sprache hörte, vor allem auf ihren grammatikalischen Eigenwillen, entstand der richtige Satz. Und mit dem Satz leuchtete die klare Bedeutung-als-Begriff auf.

Wörter & Sätze & Texte sind wie frei schwebende Okulare. Wenn man auf die holländische Wasserfläche schaut, sieht man, dass es zwischen Wasser und Licht noch ein drittes Element gibt, nämlich Luft. In den luftigen Bewegungen zwischen Wasser und Licht kommen die beiden zusammen: Wasser als Nebel und Licht als Fläche. In diesen frei schwebenden Okularen spiegeln sich Wasser und Licht und es offenbart sich die Landschaft.

In der Sprache lebt ein kräftiger Wille, der mit Weisheit verbunden ist. Das offene & behutsame & inspirierte Gespräch mit der Sprache bringt uns zu den Formulierungen, die wir suchen. Die Sprache ist eine eigenwillige Partnerin, die nur mit uns tanzt, wenn wir die Integrität ihres Körpers respektieren.

Mit Dank an Sophie Pannitschka

23.01.2009

Nähe und Distanz. Über Trennung als Voraussetzung

Ein Gespür für Nähe kann sich auf alles Mögliche beziehen: auf lebende oder verstorbene Menschen, Gegenstände (auch ein Gedicht von Paul Celan und eine Etüde von Chopin sind einzelne Gegenstände), Lebewesen, Orte & Landschaften, Räumlichkeiten, zeitliche Einheiten, Ereignisse, „göttlich-geistige“ Gestalten (Jesus Christus, Allah, Buddha, Engel, Naturwesen), Begriffe & Ideale & Vorsätze...

Und auf mich selbst. Auch zu mir selber kann ich ein Gespür der Nähe erleben, zum Beispiel wenn ich auf mich schaue, oder besser gesagt: wenn ich in mich gehe, bei mir bin & mit mir rede. Gerade diese Tatsache zeigt, wie paradox das Phänomen der Nähe ist. Um den Begriff Nähe zu beschreiben, brauche ich zwei Instanzen: „Ich“ und eine Erscheinung außerhalb von mir, einen Menschen, einen Baum, ein Lied.

In einem Gespür der Nähe verschmelzen diese beiden Instanzen miteinander – gerade die Distanz zwischen ihnen wird aufgehoben. Wenn „ich“ eine Nähe zu „mir“ erlebe (was ja ein zweifaches Ich bedeutet), findet offensichtlich eine Spaltung statt, die aber direkt wieder aufgehoben wird.

Um Nähe zu erleben, ist Distanz eine Vor-Bedingung Wenn es keine Distanz gibt, kann auch keine Nähe entstehen. Wenn man versucht das Erscheinen des Phänomens der Nähe in seiner Biographie aufzudecken, spielt das Phänomen der Distanz eine große Rolle. Ganz kleine Kinder erleben meistens – nein, nicht immer – noch gar keine Distanz zu Menschen & Dingen um sich herum. Was hier mit Nähe gemeint ist, kennen kleine Kinder nicht.

Das mag erstaunlich klingen. Ist die Vorstellung einer Mutter mit ihrem Kind an der Brust nicht der Inbegriff von Nähe & Innigkeit & Intimität? Vom Kind aus gesehen ist es aber eher so, dass es noch ganz in der mütterlichen Aura geborgen ist, so wie ein Fisch vom Wasser umschlungen wird. Das Kind ist noch nicht im Stande einen Abstand zwischen sich selbst und seiner Mutter zu erleben – ein Gespür für Nähe kann es also in diesem Sinne noch nicht geben.

Ich spreche hier von Nähe als einem Gespür, dass heißt, von der halb bewussten oder ganz bewussten Erfahrung von Nähe. Erst wenn Nähe ein Gespür ist und das Gegenüber auch wirklich als ein Gegenüber empfunden wird und deswegen verinnerlicht werden kann, findet eine Verschmelzung statt. Der erste Akt der Nähe ist die Trennung, der zweite die Vereinigung.

Das Gespür für Nähe ist ein religiöses Geschehen. Das Wort „Religion“ kommt vom lateinischen re-ligare, was bekanntlich soviel wie „zurückbinden“ bedeutet. Theologisch gesehen geht es dabei um eine Zurückführung zu Gott: die lebendige Beziehung zu den Göttern oder dem Göttlichen ist verloren gegangen, wird aber über Rituale & Übungen wieder hergestellt.

Ein Gespür der Nähe zwischen mir und mir & zwischen mir und dir & zwischen mir und euch & zwischen mir und den Gegenständen & zwischen mir und den Begriffen und Idealen & zwischen mir und der Welt kann sich erst nach einer Trennung vollziehen, aus einer erlebten Distanz heraus vollzogen werden. Der religiöse Aspekt liegt nicht darin, dass es unbedingt um eine rein geistig-göttliche Erscheinung im theologischen Sinne gehen muss.

Das Religiöse liegt in dem Wort „wieder“ beschlossen.

16.01.2009

Über das Gespür für Nähe als Gefühl. Engagement

Nähe ist ein Gefühl. Die Frage ob es Nähe gibt, wird nicht über das Denken beantwortet – das Denken entscheidet höchstens über die Frage, welche Bedeutung wir der Nähe verleihen. Auch wenn das Denken feststellt, dass das Gespür für Nähe auf einer Illusion beruht, was ja durchaus sein kann, ändert das nichts an der Tatsache, dass die – eventuell illusorische – Nähe im Gefühl gespürt und erlebt wird.

Auch kann Nähe nicht durch den Willen erzeugt werden. Entweder gibt es Nähe oder es gibt sie nicht. Wir können Nähe zwar wollen, was soviel heißt wie, uns nach Nähe zu sehnen, und wir können bestimmt auch etwas dazu beitragen, dass Nähe entsteht; uns zum Erscheinen der Nähe zu entscheiden, so wie wir uns zu einem Spaziergang entscheiden, geht aber nicht.

Nähe wird gespürt. Nähe offenbart sich unmittelbar. Nähe ist, wie gesagt, ein Gefühl und Gefühle sind souveräne Erscheinungen. Ein Gefühl ist ein Phänomen, genauso wie ein Baum & ein Auto & ein gesungenes Lied & ein Geruch auch Phänomene sind. Der Unterschied zu sichtbaren und hörbaren und „riechbaren“ und tastbaren Gegenständen liegt darin, dass ein Gefühl eine innere Angelegenheit ist. Gefühle scheinen in meinem Innenraum zu „schweben“.

Die Tatsache, dass Gefühle intentional sind, sich also immer auf etwas beziehen, bedeutet nicht, dass sie zweitrangig sind. Die Intentionalität der Gefühle erzeugt leicht den Gedanken, dass Gefühle keine Bedeutung-für-sich haben, oder anders gesagt: nur das, was Gefühle ausdrücken scheint wichtig zu sein, und nicht das, was Gefühle sind.

Gefühle, so meinen wir, drücken auf die eine oder die andere Art und Weise unsere Beziehungen zu den Dingen, Menschen, Begriffen, Erinnerungen & Handlungen aus. Sie drücken Sympathie oder Antipathie aus. Und in gewissem Sinne stimmt das natürlich auch: Wenn mir die Rosen in meinem Garten Freude bereiten, heißt das, dass ich eine positive Beziehung zu ihnen habe. Stärker noch: ich möchte mich gerne durch die Rosen verändern lassen, was ja den höchsten Ausdruck einer sympathischen Beziehung darstellt.

Dennoch reicht es nicht aus zu sagen, dass Gefühle etwas ausdrücken, so wie Gedanken das machen. In seinem Buch Phänomenologie der Wahrnehmung spricht Maurice Merleau-Ponty von dem „Gefühl als Engagement“, man könnte auch sagen: als Beteiligung. Durch unsere Gefühle sind wir an Dingen, Menschen, Begriffen, Erinnerungen & Handlungen beteiligt.

In meinen Gefühlen bin ich kein Beobachter mehr, sondern ein involvierter Partner, Freund (oder eben Feind) und Liebhaber. Gefühle sind Orte der intentionalen Beteiligung-als-reale-Beziehung, wo es keine Distanz mehr gibt, die für die Gedankenbildung essentiell ist.

09.01.2009

Intuitive Aufgeschlossenheit. Über Nähe und Sprache

Eine Ahnung davon, dass es zwischen mir und anderen Menschen so etwas wie Nähe geben könnte, bekam ich erst, als ich neun Jahre alt war. Das Wort und damit auch der Begriff „Nähe“ stand mir als Neunjähriger allerdings nicht zur Verfügung. So weit ich mich erinnere, gab es in der Sprache des Alltags in meiner direkten Umgebung so etwas wie „Nähe“ nicht. Es gab Brot & Schule & Park & Gott & Geld & Großvater und auch Krieg & Frieden – das Wort Nähe aber kam nicht vor.

Was sind die entscheidenden Erscheinungen-des-Lebens ohne Namen, ohne Worte, ohne Begriffe? Sie zeigen sich als undifferenzierte Stimmungen & Ahnungen & Sehnsüchte, die sich wie nicht greifbare Wolken über nicht erkannten Horizonten ausdehnen. Und wenn man sich in die Ausdehnung mitnehmen lässt, verliert man sich, hört man irgendwie auf zu sein. Man schläft in das Ungeheure & Geistige & Maßlose & Erhabene hinein.

Ein Gespür für Nähe war damals in mir verschwommen & weit. Manchmal war das Gespür für Nähe so verschwommen, dass ich meinte, es ginge um einen Schmerz; manchmal war es so weit, dass es unfassbar dünn wurde und verschwand; aber manchmal auch – zum Beispiel wenn ich Musik hörte – zog das Gespür für Nähe sich in mir zusammen und wurde dicht. In solchen Momenten war die Nähe wie eine Präsenz ohne einen physischen Gegenstand. „Etwas“ war da, ohne wirklich da zu sein.

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Über Nähe & Freundschaft & Beziehung & Liebe & Hass zu schreiben geht überhaupt nicht, ohne einen Blick auf die Sprache zu werfen. Der Grund dafür liegt darin, dass die gesuchten Bedeutungen über Horizonte hinausgehen. Eine gewisse Erweiterung des Begriffes „Sprache“ ist nötig, um zu verstehen, dass die Bedeutungen letztendlich nicht in meinen Worte zu finden sind.

Ich bin diesbezüglich auf das Verstehen-wollen der Leser angewiesen. Der englische Anthroposoph Owen Barfield demonstriert in seinem Buch Poetic Diction. A study in meaning, dass die Funktion der Sprache über das Vermitteln von Bedeutung hinaus geht. In der Sprache und mit der Sprache und durch die Sprache und über die Sprache hinaus, so Barfield, werden ständig neue Bedeutungen kreiert.

Barfield betrachtet die Sprache – in meinen Worten– als ein unerschöpfliches Reservoir von Klängen, Rhythmen & Bildern, die über die Welt-der-Gegenstände hinaus eine intime, bewegliche, lockende, erotische Beziehung enthält, zu dem, was er „Intuition“ nennt.

Es ist Intuition und nur Intuition durch die der Mensch Bedeutungen “begreift”. Einen Begriff zu begreifen ist ein Akt von intuitiver Aufgeschlossenheit. Barfield: “[…] meaning itself can never be conveyed from one person to another; words are not bottles; every individual must intuit meaning for himself, and the function of the poetic is to mediate such intuition by suitable suggestion”. (Owen Barfield, Poetic Diction. A study in meaning, Faber and Faber, 1928. Seite 133)

Suitable suggestion, also: passende Suggestion... Ein passendes Bild entstehen zu lassen... Das ist, was ich versuche zu tun: Bedeutungen, die Horizonte übersteigen zu suggerieren. Alle großen & weiten & unergründlichen Begriffe die im Spielfeld der Freundschaft auftauchen – Nähe, Vertrauen, Ehrlichkeit, Takt, Verbundenheit, Freiheit, Liebe & Hass – lassen sich ganz und gar nicht definitiv in Worte fassen.

Mit Dank an Sophie Pannitschka

02.01.2009

Blogs als Orte einer Kultur des Herzens. Autobahn oder Kneipentisch

„Zu einer Kultur des Herzens gehört das Eröffnen“. Dieser Satz findet sich in einem Kommentar von „Nicole“ hinter meinem Blog „Text mit Titel“ vom 22.12.2008. In einem zweiten Kommentar beschreibt die Autorin treffend alle entstandenen Kommentartexte zusammen, dass sie wie „ein gewebter, quergestreifter Teppich, mehr lang als breit, der ´Kommentare` heißt“ seien.

Und über diesen Teppich-von-Kommentaren schreibt sie dann: „Ein vogelfreier handgeknüpfter Text,/ ein herzgeknüpfter Teppich,/ urhebende Leser,/ eventuelle Autoren, / fremdsprachige, uribische, küchenlateinische und/ missionarische Weihnachtsgrüße,/ passierende Iche.“

In diesen poetischen Sätzen erkennen die Beteiligten einen Prozess, vielleicht besser: einen sprachlichen Vorgang, der mit meinem Text angefangen hat & dann mit einem Gedicht auf Niederländisch von Wim Maas einen nächsten Schritt gemacht hat. Das Gedicht wurde von „Nicole“ auf Deutsch übersetzt & darauf folgte ein Text von „Ch“. In diesem Text wurde unter anderem das Wort „Text“ als Textur = Gewebe, Geflecht und Zusammenhang erklärt.

Nach einem Dankeschön von Hermann Finkelsteen (Sei gegrüßt! Auch Murat!) kam ein Gedicht von Frank Fischer-Helweg (Sei auch du gegrüßt!), das mit den Worten endete: „Ich passiere mir/ ich passiert“. Nach einem Gruß von Maria Becker (Sei auch du gegrüßt!) kam dann der erste Kommentar von „Nicole“. Und nach einer Bemerkung von Sebastian Gronbach (Sei herzlich aus deinem Kölle gegrüßt!) ging es weiter & weiter...

Also, da ist ein richtiger Teppich von Worten, Bildern, Gedanken, Wendungen, Grüßen, Rückblicken, Fragen, Antworten, Sprüngen... entstanden und „Nicole“ schien mir mit ihren Kommentaren die spanische Tänzerin zu sein, die in einer Kneipe auf den Tisch springt & tanzt, und damit alle Anwesenden zu einem Ereignis zusammenführt.

In Blogs und Kommentaren werden oft Meinungen ausgetauscht. Blogger machen sich über dieses und jenes Gedanken, genauso wie auch ich das öfters mache - über Behinderung oder Kindheit oder Klauen oder Freundschaft. In den Kommentaren werden die Gedanken darauf bestätigt, bestritten oder erweitert. Und das ist auch gut so, weil es der Art und Weise entspricht, wie wir in der öffentlichen Gesellschaft Diskurse gestalten.

In einem Kommentar zu meinem Blog über Behinderung vom 7.12.2008 schreibt aber jemand: „Es ist hier fast so unverbindlich, wie auf der Autobahn“. Mit „hier“ ist offensichtlich mein Blog gemeint. Ich verstehe diese bittere Feststellung so, dass die Autorin enttäuscht ist. Sie wünscht sich Verbindlichkeit. Mit Meinungen ist es aber eben so (und das ist auch gut so), dass sie einsam machen.

Die Kommentare auf den Blog „Text mit Titel“ haben jedoch gezeigt, dass es auch möglich ist, über die Ebene der Meinungen hinaus zu schwingen. Wenn man über diese Schwelle hinweg tanzt, kommt man in einen Bereich, in dem Begriffe nicht herrschen, sondern dienen. Begriffe sind hier wie die Schuhe einer Tänzerin.

Man könnte diesbezüglich durchaus von einer Öffnung nach oben und nach unten sprechen. Man schwingt sich in die klaren & verwirrenden Welten von Apollo & Dionysos hinein.

Also, Autobahn oder Kneipentisch? Klar, auf die Autobahn können & wollen & müssen wir nicht verzichten. Trotzdem wäre es schön, zusätzlich auch manchmal einen Tanz auf einem Kneipentisch zu erleben. Um das zu ermöglichen, muss mein Blog neu eingerichtet werden - glaube ich. Das erste Problem ist, dass die Kommentare hinter meinen Texten verborgen bleiben. Und das Zweite: Es sind keine Kommentare, sondern Spielbeteiligungen.

Vielleicht gibt es noch ein paar Probleme & Fragen & Ideen? Es wird noch ein bisschen dauern, aber entsprechende Änderungen stehen an. Ein gutes neues Jahr!