27.07.2009

Ikonen kann man nicht berühren. Über Gegenstände

In seinen Duineser Elegien schreibt Rainer Maria Rilke: “Erde, ist es nicht dies, was du willst: unsichtbar/ in uns erstehn – Ist es dein Traum nicht, / einmal unsichtbar zu sein? – Erde! Unsichtbar!/ Was, wenn Verwandlung nicht, ist dein drängender Auftrag?“ Diese Sätze beinhalten meines Erachtens eine der stärksten Imaginationen aus der Dichtung des zwanzigsten Jahrhunderts.

Ich verstehe Imaginationen als Bilder, die eine Wirkung erzeugen, die über das rationale Verstehen hinaus gehen. In Imaginationen wird eine umfassende Wahrheit verspürt, die in ihren Einzelheiten noch nicht durchschaut werden kann. Bevor unsere Köpfe mitmachen, werden unseren Herzen durch Imaginationen erfasst.

Das Bild von Rilke in seinen Elegien ist groß & weit & tief. Gesprochen wird von einer Erde, die etwas will, nämlich “unsichtbar in uns erstehn”. Die Erde scheint auf die Menschen zu warten, bis sie ihre Aufgabe verstanden haben – der Dichter hat aber offensichtlich schon begriffen, was von ihm verlangt wird: “Erde, du liebe, ich will” schreibt er noch, und: “Überzähliges Dasein entspringt mir im Herzen”.

Der Dichter der Elegien versteht sich als Geliebter der Erde. Er geht eine Beziehung an, die von der Erde gesucht wird. Er akzeptiert ein stilles-aber-leidenschaftliches Angebot. Anders gesagt: die Erde braucht “uns” um ihren “drängenden Auftrag” zu erfüllen – ohne die Herzen der Menschen ist für sie keine Verwandlung möglich. Und der Dichter stellt sein Herz zur Verfügung.

Was mich in dieser Imagination immer wieder trifft, ist die Tatsache, dass die Erde und die Menschen getrennt sind. Die Menschen sind nicht Erde. Groß & weit & tief ist die Vorstellung, dass die Menschen zwar auf der Erde verweilen, allerdings nicht zu ihr gehören. Die Menschen haben etwas, was die Erde nicht hat. Und gerade weil dies so ist, bekommt die Beziehung eine umwerfende Bedeutung.

Die Erde will also „unsichtbar“ werden. Was kann damit gemeint sein? Unsichtbar kann nur werden, was sichtbar ist. Rilke spricht also von einer Welt die wir mit unseren Augen wahrnehmen, das sind: Bäume & Tiere & Städte & Fahrräder & Skulpturen & Landschaften & Ikonen & Steine & Gesichter... Er meint, dass in diesen sichtbaren Gegenständen ein Drang lebt oder wirkt oder schlummert „unsichtbar“ zu werden.

Wenn unsichtbar „nicht sichtbar“ heißt – bedeutet dies zwei Dinge: erstens, dass die Gegenstände auf der sichtbaren Ebene aufhören zu „sein“. Man könnte an dieser Stelle auch sagen: die Dinge müssen sterben. Ich kenne nur eine Sichtweise, die besagt, dass die Erde tatsächlich einmal sterben wird, nämlich die esoterische.

Zweitens bedeutet es, dass die Gegenstände in einer unsichtbaren Form weiter existieren. Auch diese Vorstellung findet man in esoterischen Betrachtungen. In esoterischen Fachbegriffen formuliert: die heutige Erde wird vergehen & in einer neuen „ätherischen“ Gestalt wieder neu geboren werden. In der esoterischen Literatur wird diese neue Erde „Jupiter“ genannt.

Nun ist die Vorstellung, dass die gegenständliche Erde sich im Verschwinden befindet, vielleicht verrückt – tatsächlich aber ansatzweise öfters durch ernst zu nehmende Philosophen gedacht. Martin Heidegger zum Beispiel kommt in seinen Texten manchmal fast dazu zu sagen: Gegenstände existieren eigentlich nicht.

Er meint damit, dass es das Bewusstsein der Menschen ist, das bestimmt ob etwas als ein Gegenstand „anerkannt“ wird oder nicht. Dazu kommt noch, dass unterschiedliche Menschen unterschiedliche Vorstellungen von einem konkreten Gegenstand haben. Eben einfache Gegenstände wie Messer & Löffel & Gabeln schwimmen in den unterschiedlichsten Vorstellungen der Menschen.

Und da fängt die Unsichtbarkeit schon an. Die Handgreiflichkeit der Dinge ist nicht identisch mit der Gegenständlichkeit der Dinge. Ob ein Ding ein Gegenstand ist oder nicht, hängt nicht davon ab, ob ich das Ding berühren kann oder nicht. Stärker noch: gerade die Unberührbarkeit der Dinge macht oft ihre Bedeutung aus. Auch wenn man mit seinem Finger die Farbe betastet, kann man nicht behaupten: ich habe eine Ikone berührt.

Mit Dank an Sophie Pannitschka

20.07.2009

„Jonas und die Kinder der Mühle“. Eine Erzählung von Jessica

Jonas lebte ganz alleine, weil seine Eltern schon früh gestorben waren. Er fühlte sich oft einsam. An einem wunderschönen Sommertag ging er alleine wandern. Er lief durch Wälder und Felder und über Wiesen. Er liebte die Natur.

Bis er zu einer alten aber hübschen Mühle kam. Er wunderte sich, da das Tor aufstand. „Merkwürdig“ dachte er „ das macht man doch nicht!“. Da er neugierig war, ging er rein und sah sich dort um. Es war ein prachtvoller Anblick für ihn, ein großer sehr gepflegter Garten, mit vielen schönen Blumen war dort. Es gab Hühner zu sehen, ein Bach und vieles mehr. Das Gebäude war mit alten schönen Steinen gebaut. „Früher mal war dies bestimmt eine Mühle, heute jedoch benutzte man diese bestimmt nicht mehr dafür“, dachte er . Aber nirgends war auch nur ein Mensch.

Er ging in das Haus hinein, und rief: „Hallo, ist hier jemand?“, aber niemand antwortete. Jonas beschloss sich im Haus umzusehen. Er ging in alle Räume, es gab eine große Küche, ein Wohnzimmer, mehrere Badezimmer und viele andere Zimmer, wo man sah, das sie Kindern gehören müssten. Es gab auch einen alten Mühlstein und noch viele andere Dinge. Aber einen Menschen hatte er immer noch nicht gesehen.

Am Ende seiner Besichtigung ließ er sich in der Küche nieder und guckte in den Kühlschrank. Dort war unter anderem eine Flasche Bier, die er aufmachte und leertrank, da er sehr durstig war. Gerade als er wieder gehen wollte, kam ein Hund herein und versuchte ihn mitzunehmen. Jonas verstand das nicht, ging dann aber doch hinter dem Hund her. Der Hund führte ihn zum Bach wo eine Brücke war – ein Baumstamm über das Wasser – und sah Jonas anfordernd an. Also ging Jonas über die Brücke, während der Hund durchs Wasser ging.

Gerade als er zur Hälfte über die Brücke gegangen war, hörte er etwas hinter sich zischen. Er drehte sich langsam um und erschrak als eine kleine rundliche angsteinflössende Frau direkt hinter ihm stand. „Wer sind Sie?“ fragte er erschrocken. Sie antwortete mit einem zischen in der Stimme: „ Das Selbe könnte ich dich fragen“. Er antwortete „Ich bin Jonas, und bin hier in der Gegend gewandert, da traf ich auf diese alte Mühle und wunderte mich da keiner da war, ich sah mich ein bisschen um und... Wohnen Sie hier?“

Das kann man wohl sagen“, antwortete die Frau, „und wenn du hier nicht bald verschwindest, werde ich dich hier eigenhändig weg schaffen“. Jonas kam das Ganze sehr merkwürdig vor und er beschloss noch zu bleiben und sich noch was um zugucken. Als er ihr das sagte, schubste sie ihn unerwartet in den Fluss. Er blieb eine Weile reglos im Bach liegen, bis er sich sicher war, dass sie verschwunden war. Dann ging er leise und vorsichtig auf die andere Seite des Flusses, wo der Hund auf ihn wartete.

Er ging dem Hund hinterher. Nachdem sie eine weile gegangen waren, erblickte er eine Burg. Nicht aus Stein, wie man sich eigentlich eine Burg vorstellt, nein, diese hier war aus Holz und sehr klein. Er ging in die Burg und hörte leise stimmen von oben. Er sah das vor einer Tür ein Schloss war, aber es war nicht abgeschlossen. Jonas öffnete das Schloss und ging hinein.

Dort waren vier kleine Kinder, drei Mädchen und ein Junge und ein älteres schönes Mädchen. Sie viel ihm direkt auf, sie trug ein schlichtes aber sehr hübsches Kleid, was ihrer Figur hervor brachte. Die Kinder sahen ihn erstaunt an und fingen an laut herum zu reden. Das älteste Mädchen sagte zu ihm „Ich bin Katarina und das sind meine jüngeren Geschwister, aber wer bist du?“

Sie sah ihn fragend an und er antwortete „Ich heiße Jonas, ich bin hier zufällig vor bei gekommen und habe mich umgeschaut und...“ Er erzählte ihr die ganze Geschichte und Sie sagte ihm dann: „ Ja wenn das stimmt was du gesagt hast ist die Hexe jetzt weg, da du uns befreit hast, sie wollte nämlich unser Haus da es sehr wertvoll ist, ich bin dir sehr dankbar.

Und dann schauten sie sich tief in die Augen und gingen Hand in Hand in den Sonnenuntergang.

(Aachen. Sommer 2009)

13.07.2009

Die alte Mühle. Über einen Stein, einen Bach, Esel, Menschen

In einer landschaftlich verborgenen Nische, direkt bei Aachen, steht eine alte Mühle. Ihr großer schwarzer Mühlstein arbeitet längst nicht mehr. Er ruht mit seinem vollen Gewicht auf dem Boden des Zimmers, wo er sich abgemüht hat. Wenn man auf den Stein schaut & innerlich schweigt & lauscht, offenbart sich ein enormes Gedächtnis, das aber ohne Jahreszahlen funktioniert. Der Stein ist bereit all seine Geheimnisse preiszugeben, allerdings ohne zeitlich genaue Angaben. „Ich bin ja kein Historiker“, meint der Stein.

Neben der Mühle strömt noch immer ein Bach. Seine steilen Ufer & seine kräftigen Kurven verraten, dass er richtig arbeiten muss, um ein ordentlicher Bach zu sein. Wenn es heftig regnet, wird er sofort stürmisch. Seine Sprache wird dann laut & überzeugend & mitreißend – er scheint dann zu rufen: „Schluss mit lustig“. Das treibende Wasser wühlt Steine auf, die sich gegen die Kraft nicht wehren können. Und ja, irgendwo am steilen Ufer hat ein Eisvogel sein Nest.

Auf dem grünen-sehr-grünen Mühlen-Gelände gibt es Gärten & Wiesen & mächtige Bäume & Scheunen. Und auf den Wiesen weiden Esel & Schafe. Sie verhalten sich so, als ob sie die Hauptfiguren einer wichtigen Erzählung wären. Ich meine nicht, dass sie Anerkennung verlangen, nein, gar nicht. Sie scheinen den Menschen mitzuteilen: „Wenn ihr unsere Wichtigkeit nicht bemerkt, ist das euer Problem“.

Neben dem Gittertor zum Gelände hat der Hund Juli seine Hütte. Er liegt allerdings meistens faul auf der Wiese oder dem Hof, steigt aber sofort auf seine vier Beine, wenn er herankommende Passanten bemerkt. Seine Aufgabe ist ihm ganz klar: er soll fremden Leuten deutlich machen, dass die Mühle schon vergeben ist. Und wenn ein fremder Hund dabei ist, bellt Juli extra laut, einfach um eventuellen Missverständnissen vorzubeugen.

Der Stein ruht. Der Bach strömt. Die Esel sind souverän Esel. Und der Hund bellt. Dazu wäre noch zu sagen, dass die Blumen blühen & die Bienen summen & die Hühner gackern & die Findlinge träumen & der Kastanie sich gewaltig breit macht & die Katze unbemerkt regiert. Und nein, ich darf die Forellen nicht vergessen, die man im Bach antreffen kann, wenn man Glück hat. Sie scheinen zu zischeln: „Du bildest dir nur ein, dass du uns erwischen kannst“.

So weit, so gut.

In einem landschaftlich verborgenen Winkel, direkt bei Aachen, leben & arbeiten auch noch Menschen. Die alte Mühle beherbergt ein Kinderhaus, mit zurzeit drei Jugendlichen, sieben Kindern & etwa zehn Erwachsenen. Zwei von diesen Erwachsenen arbeiten nicht nur in der Mühle, sondern sie haben dort auch ihre Wohnung. Mit Erwachsenen sind ErzieherInnen, SozialpädagogInnen, eine auszubildende Hausmeisterin, ein Praktikant & ein Zivi gemeint.

Anders als der Stein & der Bach & die Esel & der Hund machen diese Menschen ständig Geschichte. Mit den Menschen & zwischen den Menschen & wegen der Menschen geschieht andauernd dieses oder jenes. Man könnte es auch so sagen: das Kinderhaus in der Mühle ist ein Herzwerk von Biographien & Beziehungen & Ereignissen. Jeden Tag gibt es in der Mühle neue Anlässe zu epischen, lyrischen und dramatischen Erzählungen.

Auch wenn man den Winkel bei Aachen „verborgen“ nennen kann, oder eben „idyllisch“ - das Leben das sich dort jeden Tag wieder entfaltet, wäre eher trocken-treffend als „gesellschaftlich sehr relevant“ zu beschreiben. Was dort geschieht, steht an der Spitze von allem Denkbaren. Wenn man eine Idee davon haben möchte, was zurzeit in der öffentlichen Gesellschaft wirklich los ist: verbleibe eine Woche in der Mühle & mache mit & staune & verstehe! Das Ringen um Normen und Werte, die Höhen und Tiefen in Beziehungen, die Bewältigung der Vergangenheit, das Öffnen der Zukunft, die Selbstfindung & Selbstgestaltung, die gewagten Sprünge ins Leben... In der Mühle kriegt man es hautnah mit.

Und auch, wenn wir Mühle-Menschen es vielleicht immer wieder vergessen: unsere Geschichten sind in das Ruhen des Mühlsteins & in das Strömen des Baches & in das abendliche Singen der Amseln & in das Krähen des Hahnes eingebettet. Ohne diese umgebende Welt von tragenden Hoheiten gäbe es gar keine menschliche Geschichte. Ohne die unveränderliche Souveränität der Esel hätte unsere brennende Sehnsucht nach Erleuchtung keine Bedeutung.

Mit Dank an Sophie Pannitschka

06.07.2009

Zwei Jahre Weblog. Über Nähe in einem unermesslichen Ozean

Vor zwei Jahren, am 8. Juli 2007, habe ich meinen ersten Blogtext durch diesen elektronisch erzeugten Ort unter dem Satz „Jede Woche eine neue Story“ veröffentlicht. Mein erster Beitrag war dem Buch „Missionen“ von Sebastian Gronbach gewidmet. Und nach zwei Jahren ist tatsächlich zu sagen, dass ich durch meinen Weblog eine Art Mission erfülle. Unterwegs ist mir deutlich geworden, dass ich etwas ganz Bestimmtes erreichen will.

Insgesamt habe ich in diesen zwei Jahren 121 Blogs „gepostet“. Und wenn ich auf die Liste von Themen schaue, fällt mir auf, dass alle meine Passionen dabei sind: Pico della Mirandola & Michel Foucault, Zaunkönige & Abgründe, Samuel Taylor Coleridge & Rainer Maria Rilke, Feuerzeuge & Filzbatterien, Köln & Lima, Freundschaft & Türme, Bob Dylan & Guns N` Roses, Klauen & Schenkgeld, Steiner & Barfield, Selbst & Subjekt, Erziehung & Sprache, Sammy & Samuel...

(Ich liebe Auflistungen. Vielleicht schreibe ich noch mal eine Doktorarbeit mit dem Titel: „Auflistungen aufgelistet“. Untertitel: „Über Schein und Wesen von Listen“. Ich wünschte mir dafür Peter Sloterdijk als Doktorvater. Irgendwie sind seine Bücher als burleske Auflistungen von vor- und weitläufigen Bemerkungen über die aufgelisteten Sachen zu verstehen, die uns in Europa schon mehr als zweitausend Jahre verwirren.)

Meine Mission ist es allerdings nicht, durch diesen elektronisch erzeugten Ort meine Passionen auszuleben. Die Passionen erzeugen aber gerade die Freude, die ich brauche, um das Projekt durchzuziehen. Ohne Spaß läuft nichts.

Die eigentliche Mission dieses Projektes betrifft Nähe. Als erstes betrachte ich meinen Weblog als einen Ort für mich. In den Texten versuche ich eine Nähe zu mir zu finden, ein „bei-mir-sein“, so wie ganz gute Freunde an einem Tisch sitzen & leise & ruhig & vertrauensvoll miteinander reden. Ich rede also in dieser Stille mit mir selber.

Die meditative Übung liegt dabei mehr und mehr darin, dass ich nur über Sachen schreibe, die mich berühren & dass ich versuche bei diesem Berührt-Sein zu bleiben. In der innerlichen Berührung liegt ja die Nähe zu den Dingen & Ereignissen & Menschen. Alle anderen guten Anlässe etwas zu schreiben, wie Wut & Ärger & Ungeduld & Schmerz & Neugier & Überzeugung versuche ich, so gut es geht, zum Schweigen zu bringen.

Nähe zu mir & Nähe zu den Sachen... Als zweites betrachte ich meinen Weblog als einen Ort der Begegnung. Dabei geht es um die Nähe zwischen mir & den Lesern, zwischen mir & dir & zwischen dir und dir also... In dieser Hinsicht ist mein Weblog ein verwirrender Ort, weil ganz unterschiedliche Beziehungen & Verbindungen gleichzeitig & in EINEM Raum eine Rolle spielen. Auf der elektronisch erzeugten Bühne herrschen einerseits Anonymität & Öffentlichkeit, anderseits geschehen oft ganz delikate & persönliche & rührende Sachen.

Diesbezüglich ist die Situation die folgende: In den Kommentaren reagieren manchmal Menschen, die ich aus unterschiedlichen Zusammenhängen persönlich kenne. Letzte Woche zum Beispiel war auf einmal Huub aus Den Bosch da (Hoi Huub, vader van Pelle! Sei herzlich gegrüßt von Jelle!) - sein Kommentar ist in eine vertraute Stimmung eingebettet, weil ich mich daran erinnere, wie wir öfters in Neukirchen bei Flensburg an einem Tisch zusammen saßen.

Dann gibt es Kommentare von Menschen, die ich persönlich nicht kenne. Von diesen Menschen gibt es immer wieder welche, die Kontakt suchen & mir zusätzlich noch eine Email schicken. Was aber auch sehr häufig vorkommt ist, dass Menschen mir nur eine Email schicken, also keinen Kommentar auf meinem Weblog veröffentlichen. Manchmal entstehen daraus intensive Kontakte, die den Lesern meines Weblogs verborgen bleiben.

Ganz wichtig sind die Menschen, die sich regelmäßig mit Kommentaren melden & sich so richtig in die Vorgänge einmischen. Sie zeigen mir die Koordinaten in meiner Suche nach Nähe in dem immensen Ozean. Sie sind mit im Boot. Ihre Meldungen gehen für mich immer über die aktuellen Inhalte hinaus, weil sie eine kontinuierliche Beziehung pflegen, die zu Ereignissen & Wendungen & Öffnungen führen.

Und dann gibt es die Menschen, die sich - warum auch immer - gar nicht melden. Weitaus weitaus weitaus die meisten Leser reagieren äußerlich (im www) nicht erkennbar, einfach weil sie keine Lust dazu haben oder sich die Öffentlichkeit nicht zutrauen oder meinen nichts zu sagen zu haben oder... Ich mag diese anonyme Schar von Lesern sehr, weil sie das Unbekannte & Ungewisse & Unsichtbare vertreten. Ohne Schweigende gäbe es keinen Ozean.

Nähe in dem immensen Ozean... Ich kriege es nicht in Worte gefasst... Meine Worte erreichen Dich-bekannte-unbekannte-LeserIn über die elektronischen Wellen des virtuellen Ozeans. Zwischen uns gibt es Tasten & Kabel & Schirme & Festplatten & Server & Schüsseln & eine Menge von Sachen mehr wovon ich nicht die blasseste Ahnung habe. Meine Worte erreichen euch via & via & via & via & via...

Die eigentliche Begegnung aber findet irgendwo anders statt. Durch den elektronisch erzeugten Ort hat sich auch ein Innenraum geöffnet, in dem ich die Nähe spüren kann – ich alleine mit mir, ich alleine mit dir, wir alleine mit uns & den Anonymen & den Verborgenen. Die letzten zwei Jahre haben mir klar gezeigt, dass es Unfug ist zu meinen, dass das World Wide Web uns zwangsläufig voneinander isoliert.

Mit Dank an Sophie Pannitschka