Geld ist ein explosives Thema. Obwohl
es einen wesentlichen Bestandteil der Gesellschaft ausmacht – ohne
Geld läuft ja kaum etwas – sind unsere Vorstellungen darüber
nicht nur beschränkt, sondern eben manchmal grundfalsch. Man braucht
sich eigentlich nur ein paar Minuten mit dem Thema zu beschäftigen,
um einzusehen, wie kollektiv hilflos wir in diesem Bereich sind. Als
ich vor kurzem einen Text von Andrea Valdinoci las, den Entwurf zur
Einreichung einer Master-Arbeit für die Universität in Plymouth,
habe ich mal wieder feststellen müssen, wie sehr mir diesbezüglich
die begriffliche Schärfe fehlt.
Wer ist Andrea Valdinoci? Ich habe ihn
vor ein paar Jahren in der GLS Treuhand e.V. kennengelernt. Er war
damals als Mitarbeiter der Zukunftsstiftung Soziales Leben vor allem
mit „Schenken“ beschäftigt, operierte sozusagen als Vermittler
zwischen Menschen, die schenken und denen, die sich beschenken
lassen. Und auch hier gilt: Man braucht sich nur ein paar Minuten mit
der Geste des Gebens und Nehmens der Beteiligten zu befassen, um zu
verstehen, wie delikat die Rolle des Vermittlers an dieser Stelle
ist. Mir sind die Empfindlichkeiten durchaus bekannt, weil ich damals
zu den Beschenkten gehörte.
Mittlerweile hat Andrea die Seite
gewechselt. Er ist jetzt geschäftsführender Gesellschafter einer
Holding mit dem Namen „Neuguss“, einem Verbund von fünf
Unternehmungen in Deutschland und Holland, die einen Teil ihres
wirtschaftlichen Gewinns an kulturelle Initiativen weiterleiten, an
Einrichtungen und Organisationen also, die ihrer Natur nach nicht im
Stande sind, die nötigen finanziellen Mittel selber zu generieren.
Die Holding lässt sich von Gesichtspunkten inspirieren, die Rudolf
Steiner vor fast hundert Jahren im Rahmen seiner „Sozialen
Dreigliederung“ geäußert hat. Andrea Valdinoci ist somit sowohl
zum Unternehmer als auch zum „Geldgeber“ geworden.
In seiner Master-Arbeit versucht er
sich gedanklich an das Wesen des Schenkens heran zu tasten. In seinem
Text vertieft er sich erst in die vorhandene wissenschaftliche
Literatur, und macht deutlich, dass das Schenken im heutigen Denken
über Wirtschaft und Geld keinen hohen Stellenwert hat. Die Frage zum
Beispiel, inwieweit das Schenken ein „selbstloser“ Akt ist oder
sein kann, wird in der Literatur ziemlich krude beantwortet, der
Philosoph Pierre Bourdieu etwa bezeichnet diese Gabe als ein
„Herrschaftsinstrument, um andere zu dominieren“. Der Geist des
Kapitalismus – die Wirtschaft als Verteilung von knappen
Ressourcen, gesteuert durch individuelle Gier (Adam Smith) – lässt
wenig Spielraum für den „Gutmenschen“.
Andrea Valdinoci grenzt die Schenkung
vom „Herrschaftsinstrument“ und vom „verschleierten Kauf“ ab,
er schreibt: „Meine These lautet, dass es sich nur dann um eine
Schenkung handelt, wenn der Schenker nicht auf eine Gegenleistung in
jeglicher Form abzielt“. Er zitiert den Anthroposophen und
Mitgründer der Triodosbank Lex Bos, der in einer Publikation aus dem
Jahr 1998 von der Notwendigkeit sprach, „eine neue Schenkungs- und
Dankkultur zu entwickeln“. In einem Kernsatz seiner Arbeit schreibt
Andrea Valdinoci: „Das Schenken ist eine Möglichkeit, sich auf
einen neuen Weg zu begeben, persönlich Verantwortung zu übernehmen,
und die Welt freilassend mitzugestalten“.
Das Schenken hat klare Vorteile, auch
wirtschaftliche – in den nächsten Wochen komme ich darauf noch
zurück. Nach der Bewertung der wissenschaftlichen Literatur
berichtet Andrea Valdinoci in seiner Arbeit von acht Personen, die er
als Vermögensberater über mehrere Jahre begleitet hat. Die Vermögen
der Beteiligten, so schreibt Valdinoci, liegen zwischen einer halben
Million und 75 Million Euro. In den Interviews befragt er die
Vermögenden über ihre Erfahrungen mit dem Schenken. Wie erfahren
sie es, „vermögend“ zu sein? Wie sind sie zum Schenken gekommen?
Warum machen sie es überhaupt? Was hat das Schenken mit ihnen
gemacht? Mit welchen Problemen werden sie dabei konfrontiert?
Aus der Bewertung der Antworten geht
unter anderem hervor, dass das Besitzen von Geld „eine
Machtdynamik“ entwickeln kann, die die Beziehung zu anderen
Menschen stark prägt. Die Wirkung des Geldes wird als Teil der
eigenen Persönlichkeit erlebt, in meinen Worten: Mein Vermögen
(oder gerade „Unvermögen“) lässt sich in der Lebenspraxis nur
schwer von meiner Persönlichkeit trennen. Die Wirkung meines Geldes
vermischt sich mit der Wirkung meiner Person auf andere Menschen,
auch wenn ich davon keine Ahnung habe, oder es nicht für wahr haben
will.
Grundfalsch ist die Annahme, dass Geld
eine rein objektive und quantitative Hoheit ausmacht, die sich mit
„Zahlen und Figuren“ (Novalis) begreifen und ergreifen lässt. Im
Geld wirkt ein mächtiges Wesen, das uns täglich überfordert, uns
somit auf einer unbewussten Ebene fremd ansteuert. Mit der bewussten
Akzeptanz dieser Tatsache, so vermittelt uns Andrea Valdinoci, öffnet
sich tatsächlich ein neuer Lebensweg, der anfänglich recht
abenteuerlich aussieht. In den nächsten Wochen werde ich über
einige Stationen dieses Weges berichten.