17.02.2013

Neun Monate. Husch, Husch, Husch!!!

Neun Monate. Husch, Husch, Husch!!!

Unsere Tochter gibt Töne von sich, die Bandbreite ihres kleinen Mundwerkes ist menschlich breit, wie sagte Nietzsche auch wieder? – ach ja: allzu menschlich weit, ich meine: sie kann fordernd schreien: ihr Anliegen mit ihrer Stimme so richtig unmissverständlich auf einen Punkt bringen; oder traurig-süß-sauer weinen: sich in den Weltschmerz hinein tönen; oder empört klagen: weil ich nicht mit ihr spielen will, ich gerade schreibe; oder vor reiner Freude einen Zitterstoß loslassen, einen gesteigerten energetischen Seufzer: wenn ich sie auf dem Arm trage und die Tür zum Garten öffne, dann weiß sie: jetzt gehen wir raus, Husch, Husch, Husch!!! Heute früh in der Küche, sie saß im Kinderstuhl, tönte sie einfach so vor sich hin, ich hörte zu, und überlegte: was sollen denn diese Töne bedeuten? Die Laute plätscherten ungezwungen hin und her, waren von gar nichts gesteuert, verweilten einfach, meine Frau sagte: sie waren ohne Absicht; sie schienen irgendwie impressionistisch etwas ausmalen zu wollen, ohne etwas mitteilen zu müssen, sie umfassten nichts, sie umfassten alles, allzu menschlich waren sie nicht, eher – ja, welche Worte soll ich wählen? – engelhaft, oder Willem-de-Kooning-haft, oder Chet-Baker-haft, nein, viele Worte fallen mir nicht ein. Sicher ist jedoch, dass weitaus die meisten Erwachsenen die Möglichkeit, sich ohne Absicht frei zu äußern, längst verloren haben. Ist es nicht gerade DAS, was wir verlieren, wenn wir „groß“ werden? Nur ein paar ganz große Künstler schaffen es, sich diese Freiheit zu bewahren oder zurück zu erlangen... Aber jetzt quengelt meine Tochter wieder, ich vermute mal, sie möchte auf den Arm genommen werden, um in den Garten gebracht zu werden, also: Husch, Husch, Husch!!!